Prof. Dr. Annette Kleinfeld im Interview zum Deutschen Ethik Index

News Jan 13, 2022

„Erfolg mit Anstand“ ist ein Modell zum umfassenden Management unternehmerischer Verantwortung in all ihren heutigen Facetten. Unternehmen, die diesen Zertifizierungsprozess erfolgreich durchlaufen haben, werden in den Deutschen Ethik Index aufgenommen. Professorin Dr. Annette Kleinfeld erklärt im Interview, warum der DEX nicht mit Ausschlusskriterin arbeitet, er mehr leistet, als ESG-Kriterien gerecht zu werden und warum Unternehmen von einer Zertifizierung dauerhaft profitieren.

1. Deutscher Ethik Index, abgekürzt DEX. Was und wer steckt hinter diesem Begriff?

Die Idee, einen „Deutschen Ethik Index – DEX“ ins Leben zu rufen, stammt von einem Unternehmer und Förderer der Stiftung CLUB of Hamburg. Die 2014 ins Leben gerufene Stiftung hat sich u.a. zum Ziel gesetzt, der schweigenden Mehrheit deutscher Unternehmen, die sich seit jeher auf eine ethisch korrekte Art und Weise um Erfolg bemühen, mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Der „DEX“ soll, anders als der deutsche Leitindex für börsennotierte Unternehmen „DAX“, allen Rechtsformen und allen Arten von Organisationen offenstehen, sich nicht nur an Investoren oder Kapitalgeber richten, sondern allen Stakeholdern ebenso wie der Öffentlichkeit Auskunft darüber geben, ob die gelisteten Unternehmen ihre Ergebnisse auf eine sowohl ethisch verantwortliche als auch gesellschaftlich verantwortbare Weise erzielt haben und so einen Beitrag zum Leitbild der nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Agenda 2030 der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2015 leisten.

An einer Aufnahme in den DEX interessierte Organisationen müssen sich einem mehrstufigen Evaluierungsverfahren unterziehen, dessen Ergebnisse von einem unabhängigen Experten-Gremium – dem, von der Stiftung beauftragten Zertifizierungsausschuss – final beurteilt werden. Grundlage der Bewertung ist ein, im Auftrag der Stiftung entwickeltes, wissenschaftlich fundiertes wie praxisorientiertes Managementmodell. Es gibt Unternehmen zum einen Anleitung, welche Bereiche ihres Managements wie zu gestalten sind, um dem Anspruch einer ethisch verantwortlichen und gesellschaftlich verantwortbaren Unternehmensführung gerecht zu werden; zum anderen enthält das Modell im Sinne eines Standards konkrete Anforderungen, gegen die sich Unternehmen von externen Gutachtern bewerten lassen können, um im Anschluss einen Bericht mit Empfehlungen für weitere Verbesserungen auf dem eingeschlagenen Weg zu erhalten. Ab einem bestimmten Reifegrad dient diese Beurteilung zugleich als Qualifikationsnachweis für die Listung im DEX. Derzeit besteht der DEX aus drei unterschiedlichen Kategorien: In Abhängigkeit vom jeweils erreichten Reifegrad können Unternehmen im DEX Bronze, DEX Silber oder im DEX Gold gelistet werden.

2. Warum sollten sich Unternehmen für genau diesen Zertifizierungsprozess entscheiden?

Der zugrundeliegende Ansatz, der sich, gemäß des heutigen Mottos der Stiftung „Erfolg mit Anstand“ nennt, baut auf bereits existierenden Initiativen, Standards, Normen und Vorgaben im Bereich der verantwortlichen Organisationsführung und Nachhaltigkeit auf, die während der letzten Jahrzehnte entstanden sind, und verknüpft deren Inhalte mit klassischen betriebswirtschaftlichen ebenso wie mit aktuellen, zukunftsweisenden Erfolgsfaktoren des 21. Jhd. Das Ergebnis ist ein Modell zum umfassenden Management unternehmerischer Verantwortung in all ihren heutigen Facetten – von der ökonomischen Existenzsicherung über Risiko- und Compliance-Management und die Wahrnehmung von Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft bis zu einem ethisch vertretbaren Umgang mit Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz. Im Kontext börsennotierter Unternehmen und Rating-Agenturen werden diese Themen auch unter dem Stichwort „ESG – environmental, social, governance“-Kriterien diskutiert. Als solches erspart das Modell insbesondere „Newcomern“ im Bereich der nachhaltigen Unternehmensführung, sich zunächst mit den unterschiedlichen Vorgaben globaler Art (von den OECD-Leitlinien und den 10 Prinzipien des UN Global Compact über die Anforderungen von GRI, relevante ISO-Normen zum Management einzelner Aspekte bis zur Agenda 2030) vertraut zu machen und selbst zu eruieren, welche Managementbereiche wie angepasst werden müssen, um heutigen Anforderungen gerecht zu werden.

Unternehmen, die einen externen Evaluierungsprozess durch die von der Stiftung ausgebildeten und beauftragten Gutachter durchlaufen haben, bestätigen immer wieder, welcher enorme Erkenntnisgewinn und organisationale Mehrwert für sie mit dem Prozess verbunden gewesen ist. Dies unabhängig vom angestrebten Ergebnis in Form einer Aufnahme in den DEX, mit der das Unternehmen gegenüber Dritten und externen Stakeholdern glaubhaft belegen kann, wo es bezogen auf die erhobenen Aspekte steht.

3. Für welche Unternehmen ist der DEX relevant?

Wie oben erläutert richtet sich der DEX ausdrücklich an alle Größen, Rechtsformen und Branchen, an Unternehmen der Privatwirtschaft ebenso wie an Non-Profit-Organisationen, denn sie alle können durch die Art und Weise, wie sie handeln und entscheiden, einen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung gemäß der 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) der Agenda 2030 leisten. Darüber hinaus sind alle Organisationen Teil von Wertschöpfungsketten oder haben Stakeholder, von denen die Ausrichtung an Nachhaltigkeits- und anderen ethisch relevanten Kriterien verstärkt nachgefragt wird.

Wo dies nicht oder noch nicht der Fall ist, sorgt inzwischen verstärkt der Gesetzgeber auf europäischer wie nationaler Ebene für die fehlende Aufmerksamkeit: Durch eine Fülle bereits verabschiedeter oder geplanter Direktiven und Gesetze zur Förderung nachhaltiger Entwicklung. Dazu gehört beispielsweise das 2017 eingeführte CSR-RUG (CSR-Richtlinien-Umsetzungsgesetz) zur Umsetzung der europäischen Berichtspflicht im Bereich Nachhaltigkeit, das im Sommer letzten Jahres beschlossene sog. Lieferkettengesetz (LkSG) zur Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht im eigenen Geschäftsbereich und bei direkten Lieferanten oder die europäische Taxonomie-Verordnung im Kontext des „New Green Deal“ der EU, die eine deutliche Ausweitung der CSR-Berichtspflichten auch für mittelständische Unternehmen in naher Zukunft zur Folge haben wird.

4. Können sich auch Unternehmen zertifizieren lassen, die zu ethisch fragwürdigen Industriebereichen gehören?

Im Unterschied zu klassischen Nachhaltigkeitsindizes arbeitet der DEX nicht mit Ausschluss-Kriterien. Denn wir sind der Meinung, dass jedes Unternehmen zum einen sein Kerngeschäft, ob moralisch fragwürdig oder nicht, auf eine ethisch korrekte Weise verfolgen kann – z.B. indem es Gesetze einhält, gegen Korruption vorgeht, die Fürsorgepflicht für seine Arbeitnehmer ernst nimmt, Kunden gegenüber ehrlich ist und schonend mit natürlichen Ressourcen umgeht. Gerade bei „ethisch problematischen“ Produkten wie den von Ihnen exemplarisch genannten ist es ja, ganz im Gegenteil, besonders wichtig, dass Unternehmen sich ihrer besonderen Verantwortung bewusst sind, Verbraucher über potenzielle Risiken aufklären und Minderjährige in besonderer Weise schützen. Zum anderen sollte man unserer Ansicht nach keinem Unternehmen die Chance absprechen, sein bisheriges Geschäftsmodell kritisch zu hinterfragen, zu transformieren oder dahingehend zu modifizieren, dass die vorhandenen Risiken minimiert werden – wie es aktuell beispielsweise die Tabak-Industrie vormacht, indem sie weniger gesundheitsschädliche Alternativen zur klass. Zigarette entwickelt.

5. Wo gibt es weitere Informationen zum DEX und an wen kann ich mich bei Interesse wenden?

Weitere Informationen gibt es unter clubofhamburg.de. Schreiben Sie uns über kontakt@clubofhamburg.de. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht.